Horizont: Das G’riss ums heimische Wolkengeschäft

Das Home-Office hat auch Cloud-Anwendungen ins Rampenlicht katapultiert. Heimische Anbieter werben mit Vertrauen um Kunden.

Die Ausgangsbeschränkungen haben dem Home-Office zum Durchbruch verholfen – mit Konsequenzen für einen ganzen Sektor der IT-Branche. Denn auf den lokalen Rechnern liegen immer weniger Daten: Österreich wandert zunehmend in die Cloud. „Viele Unternehmen wurden in den letzten Wochen eher unfreiwillig und teilweise unvorbereitet von der Digitalisierung getroffen. Das Positive daran: Organisationen werden sich zunehmend bewusst, wie viele ihrer Prozesse sie eigentlich digital bequem über eine Cloud- Lösung abwickeln können“, so Andreas Dangl, Geschäftsführer der Fabasoft Austria, zum HORIZONT. Dass die Corona-Krise CloudAnwendungen einen großen Schub gegeben hat, davon weiß auch Florian Slezak, Head of Business Groups bei Microsoft Österreich, zu berichten: „Der Ausbruch von Covid-19 hat definitiv eine enorme Beschleunigung bei der Digitalisierung sämtlicher Geschäftsprozesse gebracht, sowohl in Österreich als auch auf der ganzen Welt. Haupttreiber war der plötzliche Anstieg an Home-Office.“ Tendenz steigend.

Das US-Unternehmen ist hierzulande neben Amazon Web Services (AWS) einer der dominanten Player am heimischen Cloud-Markt. Umsatz- und andere Kennzahlen erhält man jedoch von keinem der Marktteilnehmer – die Branchenriesen zeigen sich diesbezüglich verhalten. Ende 2019 hatte AWS mit einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent weltweit die Nase vorne, Microsoft lag mit mehr als 15 Prozent globalem Marktanteil noch vor Google. Das Geschäft brummte auch in Österreich schon vor der CoronaEpidemie. AWS hat gerade erst zu Anfang des Jahres in Wien ein Büro eröffnet. „Ein wesentlicher Grund für die Büroeröffnung ist natürlich auch die steigende Nachfrage nach den Cloud-Diensten von AWS in Österreich ganz generell“, so das Unternehmen.

Die Kundenliste ist mit Unternehmen wie Bitmovin, Standard, Eversports, iTranslate, kununu, mySugr, Raiffeisen Bank International und Skidata durchaus illuster. „Kurz nach der Eröffnung unseres Büros in Wien hat sich alles verändert“, so Jochen Walter, Country Leader Austria bei AWS. „Plötzlich mussten wir, kaum als Team in unserer neuen österreichischen Niederlassung angekommen, von zu Hause aus arbeiten und konnten uns nur noch online austauschen. Und ich musste mich darauf einstellen, potenzielle neue Teammitglieder erstmal nur per Videokonferenz kennenzulernen. Obwohl für uns, als globales Unternehmen, die virtuelle Zusammenarbeit natürlich an der Tagesordnung ist, hätte vor einiger Zeit noch niemand gedacht, dass wir mal komplett auf den persönlichen Kontakt verzichten müssen. Tatsächlich funktioniert das Online-Kommunizieren mit Kunden wie unserem eigenen Team bisher aber erstaunlich gut.“

Der globale Marktführer bietet mehr als 175 Dienste für die unterschiedlichsten Technologiebereiche, von Datenbanken über Robotik, Machine Learning (ML) und Künstlicher Intelligenz (KI), bis hin zu Virtual und Augmented Reality (VR und AR) – und damit fast alles an, was das Wolkenherz  begehrt. ‚Risiken unterschätzt‘ Heimische Anbieter haben es also mit potenten Konkurrenten zu tun. A1.digital verweist vor allem auf die Vorteile österreichischer CloudDienstleister. Das Unternehmen biete seine Cloud-Lösung Exoscale aus sechs Rechenzentrum-Standorten im europäischen Raum an. Damit könne „sehr einfach den Anforderungen an lokale Datenhaltung auch hinsichtlich DSGVO begegnet werden. Viele Unternehmen müssen sich mit dem Thema ‚US Cloud Act‘ befassen und dies aus gutem Grund“, so das Unternehmen.

Die Risiken von amerikanischen Anbietern würden unterschätzt: „Oft ist es Unternehmen gar nicht vollumfänglich bewusst, in welche Abhängigkeit sie sich hier begeben und wie ihre Daten von US-Konzernen kontrolliert werden können. Gerade jetzt in der Krise ist es wichtig, stets handlungsfähig zu bleiben und dass Regionalität nicht nur bei Dingen des täglichen Bedarfs zählen sollte.“ Martin Puaschitz, Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie bei der Wiener Wirtschaftskammer, sieht vor allem die Marketing-Macht globaler Konzerne als Herausforderung für heimische Cloud-Anbieter. Vielen Menschen sei gar nicht bewusst, dass es hierzulande weit mehr als 100 Anbieter gibt. „Besonders bei kleineren und mittleren Unternehmen dringt man als österreichischer Anbieter sehr schwer durch. Salopp gesagt kennen viele nur Produkte von Nestlé und Unilever und kaufen nichts anderes. Dass es einen steirischen Apfel und eine Erbse aus dem Marchfeld gibt, ist vielen gar nicht bewusst.“ Deswegen habe man die Austrian Cloud ins Leben gerufen, um zu zeigen, dass es diese Leistungen auch in Österreich gibt.

Kein globaler Multi zu sein kann sich als Vorteil herausstellen. Puaschitz: „Wenn es ein Problem gibt, erwarte ich mir von meinem Anbieter ein wenig Flexibilität und jemanden, dem ich ins Gesicht schauen und der auf mich eingehen kann. Das kann der kleinere Anbieter natürlich viel besser als der große. Da gibt es einiges an Wachstumsmöglichkeiten.“